Hab ich dich gefragt, oder was???

Ich bin ja ein sehr friedliebender Mensch. Deswegen brülle ich nur in Ausnahmezuständen böse Wörter durch unsere Straße und erschrecke damit ahnungslose Fahrradfahrer. Kurz nach meinem Beitritt zu dieser Gruppe von VKH-Patient*innen auf Facebook erhielt ich jedoch eine Nachricht, um die ich nicht gebeten hatte. Es war einer jener, die nicht direkt im Posteingang landet, sondern in den Anfragen, zu denen man so umständlich gelangt.

„VKH ist eine Nebenwirkung der COVID-Impfung von BioNTech und Pfizer, möglicherweise auch von anderen Herstellern“, stand da.

„Aha“, dachte ich und überlegte, wann ich meine letzte Impfung erhalten hatte. Dezember? Es war mir nicht die Mühe wert, meinen Impfpass aus der Schublade zu kramen. Die Diagnose hatte ich am 17.6. erhalten, also gut ein halbes Jahr später. Entweder reagierte mein Immunsystem erstaunlich langsam oder aber … Oder mein Vogt-Koyanagi-Harada Syndrom hat rein gar nichts mit der Impfung zu tun. Ich hatte überhaupt keine Zweifel. Nicht eine Sekunde hatte ich darüber nachgedacht, ob diese Impfung etwas mit meiner Erkrankung zu tun haben könnte und ich zog es auch nach dieser Nachricht nicht ernsthaft in Erwägung. Und dennoch. Da saß ich und googelte. Da saß ich und las die spärlich gesäten Fallberichte zu diesem Thema.

Und ich ärgerte mich. Ich ärgere mich darüber, dass ich mich so leicht verunsichern ließ und dass mir eine wildfremde Person ungebeten einfach eine solche Nachricht schickte. Aber vermutlich hatte sie es gut gemeint. Weil man andere ja warnen will und ihnen einen Teil der möglichen Wahrheit zeigen möchte. Es ist in Ordnung, sich auf die Suche nach einem möglichen Grund zu machen, weil das manche Dinge erleichtern kann. Ich brauche für meine Erkrankung aber keinen Grund. War es die Coronainfektion Ende Februar? Ein anderer viraler Infekt danach? Oder der immense Stress des vergangenen Jahres? Vielleicht auch eine Mischung aus all diesen Komponenten. Vielleicht spielten auch die Impfungen eine gewisse Rolle in diesem komplexen System, das meinen Körper plötzlich nicht mehr gegen eindringende Krankheitserreger beschützt, sondern sich gegen bestimmte Teile seiner selbst richtet. Den genauen Grund werde ich nie erfahren und es zu wissen, würde auch nichts an der Tatsache ändern, dass ich jetzt krank bin. Warum sollte ich mich dann mit der Frage oder gar der Suche danach quälen?

Für jene Person, die mir geschrieben hat, scheint eine konkrete Antwort von großer Bedeutung zu sein. Trotzdem möchte ich nicht zwangsbeglückt werden. Weil es mir in diesem äußerst fragilen Gleichgewicht einen gewaltigen Stoß versetzt, der mich taumeln lässt. Ich fühle mich wie eine Seiltänzerin, die irgendwie über diesen dunklen Abgrund gelangen muss, ohne in die Tiefe zu stürzen. Jeder Schritt kostet mich Kraft und meine volle Aufmerksamkeit – ich kann jetzt keine Ablenkung brauchen. Schon gar nicht so ungebetene, die mich aus weiter Ferne erreichen. Es gibt in meinem eigenen System schon genug Turbulenzen, die mich ins Schwanken bringen und deren Auswirkungen ich nur mit vielen Verrenkungen und Mühe austarieren muss, um diesen Alltag aufrechterhalten zu können.

Ich wollte antworten. Ich wollte schreiben, dass mich das nicht interessiert. Dass meine letzte Impfung viel zu lange her ist, um da irgendeinen Zusammenhang feststellen zu können und dass ich meine Energie jetzt nicht dafür verschwenden möchte, um für die Anerkennung einer Nebenwirkung zu kämpfen. Als ich die Finger auf die Tasten setzte, erschien mir jedoch selbst das wie ein unmöglicher Kraftakt. Also ließ ich es bleiben. Ich antwortete gar nicht. Und das war vielleicht besser so. Für beide Seiten.

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