Völlige Überlastung. Alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, ein Hund, eine Katze, viel zu viel Arbeit und ein paar andere Baustellen. Dazu der Schlafmangel, der sich über die vergangenen Wochen sukzessive aufgebaut hatte. Kein Wunder, dass man irgendwann anfängt, tanzende schwarze Flecken zu sehen. Als ich am Samstagmorgen die Augen aufschlug, hatten sie sich auf wundersame Art und Weise vermehrt. Ich stand auf, kochte Kaffee, klappte den Computer auf, doch anstatt zu arbeiten, beobachtete ich diese Erscheinungen, die nicht hätten da sein dürfen.
Das große Kind wollte bald seinen Geburtstag feiern. An diesem Samstag mussten wir also ins Einkaufszentrum fahren, um die letzten Dinge vorzubereiten. Ein leises Stimmchen in meinem Kopf sagte mir, dass wir uns beeilen mussten. Jetzt oder nie. Die Stimmen im Kopf können manchmal maßlos übertreiben mit ihrer Sorge um die Zukunft. Das kleine Kind lag auf der Couch und kurierte artig seinen Hüftschnupfen aus. Schmerzmittel und Netflix. Was könnte besser heilen?
“Wir sind bald wieder da”, sagte ich und drückte das rechte Auge etwas fester zu als das linke. Warum stellt das Scheißding nicht ordentlich scharf?
Ich blinzelte beim Autofahren. Das helle Sonnenlicht stach in meinen Augen und über die rechte Seite legte sich ein hartnäckiger Schleier, den ich nur mit viel Mühe ein wenig lichten konnte. Ganz vertreiben ließ er sich jedoch nicht. Hatte etwa die nächste Pollensaison angefangen? Die Gräserblüte hatte ich dieses Jahr doch noch gar nicht gespürt. Warum sollte ich jetzt so plötzlich darauf zu reagieren beginnen? Eine andere Erklärung fiel mir jedoch nicht ein.
Das Kind flitzte durchs Spielwarengeschäft, studierte andächtig all die bunten Dinge, die sich in den Regalen stapelten und nahm hin und wieder etwas heraus, um es in seinen Korb zu legen. Sich selbst die Geschenke aussuchen, die die Gäste eine Woche später hoffentlich mit zur Party bringen und feierlich überreichen. Der Überraschungseffekt ist dabei nicht besonders groß, aber es verspricht viel Zufriedenheit und beugt Enttäuschungen vor. Das ist für alle Seiten gut. Vor allem für uns Eltern. Ich stand da und blinzelte, aber der Schleier wurde hartnäckiger.
“Hast du es bald? Zu Hause wartet jemand auf uns”, sagte ich, um den Vorgang etwas zu beschleunigen. “Danach noch zum Bäcker und eigentlich sollte ich richtig einkaufen”, dachte ich und fühlte mich bereits bei dem Gedanken daran überfordert. Mein Kopf. Was ist nur mit meinem Kopf los? Ich wollte nach Hause.
“Gehen wir noch einkaufen?”, fragte das große Kind, das stets an alles denkt.
“Nein. Das mache ich am Nachmittag”, antwortete ich, weil ich mich nach meinem Bett sehnte. Ich klemmte mir das Brot unter den Arm und wir stiegen ins Auto. Ich blinzelte, um den Schleier von meinem rechten Auge zu vertreiben. Er fühlte sich mit jeder Stunde zäher an. Ja, ein zäher Schleim, der sich nicht abwischen ließ und meine Sicht auf die Straße auf eine Art und Weise beeinträchtigte, die mich nervös machte. Es sollte meine letzte Strecke als Fahrerin sein. Zumindest in den kommenden Wochen. Hätte ich das gewusst, ich wäre vielleicht doch noch schnell beim Supermarkt stehen geblieben.