An einer seltenen Erkrankung zu leiden, kann eine einsame Angelegenheit sein. Das Vogt-Koyanagi-Harada-Syndrom ist in Österreich nicht gerade weit verbreitet und so gibt es kaum eine Möglichkeit des Austauschs mit anderen Betroffenen. Die meisten Webseiten, die ich zu dem Thema fand, waren auf Spanisch, manchmal tauchte das ein oder andere medizinische Video aus Japan auf.
„Hast du schon auf Facebook nachgesehen?“, fragte eine Freundin.
„Ob ich eine Gruppe zum VKH-Syndrom finde? Ich weiß nicht… Will ich das überhaupt?“ Mit Schaudern dachte ich an die Müttergruppen, in denen ich mich herumgetrieben hatte, als die Kinder noch wirklich klein waren. Digitale Schlammschlachten rund ums Stillen, Impfen und das Stechen von Ohrlöchern. Wie läuft so etwas ab, wenn eine Horde Menschen an derselben Krankheit leidet?
Ich wagte den Versuch und wurde tatsächlich fündig. Eine Facebookgruppe, in der sich VKH-Patient*innen aus unterschiedlichen Ländern zusammengefunden haben, um über ihre Erkrankung zu sprechen. Ich stellte die einzige Frage, die mich interessierte: Wie lange wart ihr in welcher Form eingeschränkt? Die Antworten hätten nicht unterschiedlicher ausfallen können.
„Ich habe die Sterne nach fünf Jahren zum ersten Mal wieder gesehen.“
„Ich höre seitdem kaum mehr und brauche Hörgeräte.“
„Ich konnte zwei Monate nicht arbeiten, weil mir so schwindlig war.“
Ich wusste nicht, ob ich weiterlesen wollte. Zu unterschiedlich waren die Voraussetzungen, Auswirkungen und Behandlungsformen, zu verschieden die Lebenssituationen der einzelnen Menschen, als dass man sie untereinander und mit mir hätte vergleichen können. Das VKH-Syndrom erschien mir plötzlich wie ein Chamäleon, das sich unvorhersehbar wandelte – abhängig davon, auf welchem Körper es sich bequem gemacht hatte. Wenigstens der mögliche Haarausfall und das Ergrauen von Wimpern und Augenbrauen trat dadurch wieder deutlich in den Hintergrund. Die Bedeutung von Haaren verblasst vor der potenziellen Möglichkeit, jahrelang auf den Anblick eines Sternenhimmels verzichten zu müssen. Und dann wiederum… Ich konnte doch wieder lesen und Gesichter sehen. Was waren da schon die Sterne? Ich beschloss, dass ich zwar zu einem gewissen Maße durchaus unter den Auswirkungen des Vogt-Koyanagi-Harada Syndroms litt, aber diesem jetzt gerade Leid keine allzu großen Bedeutung beimessen wollte. Ich hatte zurück, was ich am meisten vermisst hatte. Das war gut. Für jetzt zumindest. Sollte sich dieser Zustand über einen langen Zeitraum hinwegziehen, würde ich ohnehin einen neuen Umgang mit dem Leid finden müssen. Jetzt aber war ich noch nicht an diesem Punkt. Anders als andere Betroffene, die nach acht Jahren Krankheit und Einschränkung einen regelrechten Marathon hinter sich haben.
Zum Nachthimmel habe ich seitdem trotzdem nicht geschaut. Ich will nicht wissen, ob ich die Sterne sehen kann. Dafür fehlt mir der Mut. Noch.