“Na, wie geht’s deinen Augen?” Diese Frage wird mir in letzter Zeit oft gestellt und die Antwort darauf ist mehr als erfreulich.
“Gut. Den Augen geht es gut.” An dieser Stelle verliere ich die Aufmerksamkeit meines Gegenübers. Augen gut, alles gut. Das war schon von Anfang an die Devise beim VKH. Aber das Vogt-Koyanagi-Harada Syndrom bringt noch viel mehr mit sich als bloße Sehprobleme. Phasenweise ist der Umgang mit der Krankheit ein Balanceakt.
Wenn ich mein Arbeitspensum ein wenig erhöhe, die Kinder oft krank sind und ich nicht meinen neuen, mit vielen, vielen Pausen gespickten Rhythmus beibehalten kann, spüre ich es sofort. In den Ohren beginnt es zu klingeln und der Kopf wird schwer. Ein dumpfer Schmerz, der sich vom Nacken her ausbreitet, mich ermüdet und meine Wahrnehmung trübt. Erst im November habe ich versucht, das Kortison abzusetzen und wurde sofort mit Wortfindungsstörungen, Schwierigkeiten beim Sprechen, Hörminderung und Kopfschmerzen daran erinnert, dass es eben noch nicht vorbei ist. Der Balanceakt geht weiter. Seitdem fühlt sich jeder Schritt wie ein Tanz auf einem Seil an. Kann ich den Auftrag noch annehmen? Wie viele Termine schaffe ich in einer Woche, damit noch genug Zeit für Pausen bleibt? Ich muss mir meine Auszeiten strikt in den Kalender eintragen, damit ich mich wirklich daran halte. Meine Energie ist seit der Erkrankung stark begrenzt, die Anforderungen, die an mich gestellt werden, sind aber dieselben geblieben.
Der größte Wunsch: mehr Stabilität
Chronisch krank zu sein, bedeutet, sich selbst und das Umfeld permanent daran erinnern zu müssen. Eine Krankheit, die man nicht sieht, die für andere nicht nachvollziehbar ist, entzieht sich dem Bewusstsein. Jede Reduktion der Medikamentendosis bringt große Verunsicherung mit sich. Geht es wieder los? Schafft mein Körper das? Ich schwanke zwischen Unsicherheit und Zuversicht, zwischen dem Glauben an meine körperliche Stärke und dem Wissen, dass es ganz schnell gehen kann und einfachste Dinge plötzlich nicht mehr funktionieren.
“Was wünschst du dir zum Geburtstag?”, fragte meine Mutter.
“Methotrexat”, antwortete ich, halb ernst und halb im Scherz. Ein anderes Medikament, das ich konstant einnehmen müsste, würde mir zumindest die Angst vor einem erneuten Aufflammen der Entzündung nehmen. Aber wer weiß, welche Nebenwirkungen damit wieder verbunden sind. Kortison und Methotrexat sind keineswegs leicht verdauliche Kost, keine Bonbons, die man sich einfach einwerfen kann. Am liebsten wäre es mir ohnehin, wenn ich die Medikamente ganz und ohne jegliche Konsequenzen absetzen könnte. So weit sind wir aber noch nicht.
Ich habe in den letzten Monaten gelernt, wie man balanciert. Zwischen Kindern und Arbeit, zwischen Verantwortung und Auszeit. Ich habe gelernt, dass Wohnungen nicht auseinanderfallen, wenn man sie nicht regelmäßig putzt und dass die Welt nicht untergeht, wenn man manchmal nein sagt. Ich habe gelernt, mich selbst nicht permanent zu überlasten, aber trotzdem bin ich müde. Müde von diesem Balanceakt zwischen Gesundheit und Krankheit.